Landesbeauftragte stellt Tätigkeitsbericht Akteneinsicht 2022/23 vor

Pressemitteilung der Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht Brandenburg

Heute überreicht die Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht, Frau Dagmar Hartge, der Vizepräsidentin des Landtages Brandenburg, Frau Barbara Richstein, ihren Tätigkeitsbericht zur Akteneinsicht für die Jahre 2022 und 2023.

Während in anderen Ländern sowie auf Bundesebene die Weiterentwicklung der Informationsfreiheitsgesetze zu Transparenzgesetzen in den beiden zurückliegenden Jahren vorangeschritten ist oder zumindest mit entsprechenden Vorbereitungen begonnen wurde, stehen die Zeichen in Brandenburg in dieser Hinsicht weiterhin auf Stillstand (Abschnitt II 2 und 3, Seite 13). Immerhin hat die Landesregierung inzwischen ihre Offene-Daten-Strategie veröffentlicht. Auch hat der Gesetzgeber das Brandenburgische E-Government-Gesetz um Regelungen zur Umsetzung von Open Data ergänzt. In unserer Stellungnahme zum Gesetzentwurf bemängelten wir die fehlende Verpflichtung der Behörden, offene Daten anzubieten. Wir waren der Auffassung, dass die hochgesteckten Ziele der Landesregierung auch deshalb nicht erreichbar sind, weil weder zusätzliche Personal- noch Sachmittel zur Verfügung stehen. Einerseits lässt sich das Projekt aus diesen Gründen nur als „Open Data light“ bezeichnen, andererseits ist anzuerkennen, dass Brandenburg endlich den Einstieg in die aktive Bereitstellung offener Daten wagt. Ein Transparenzgesetz ist aber weiterhin nicht in Sicht. Transparenzgesetze beziehen sich, anders als Open-Data-Regelungen, nicht auf maschinenlesbare Rohdaten, die erst noch verarbeitet werden müssen, sondern auf die aktive Veröffentlichung herkömmlicher Dokumente in einem Transparenzregister.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Entwicklung haben wir im Oktober 2023 ein Internationales Symposium unter dem Titel „Portale, Register, Plattformen – digital und transparent?“ veranstaltet (Abschnitt V, Seite 47). Uns hat interessiert, welche Faktoren für den Erfolg von Open Data in anderen europäischen Staaten ausschlaggebend waren. Wie so häufig, wenn es um Transparenzfragen geht, haben Estland und Slowenien auch bei Open Data die Nase vorn. Die Vertreterin aus Tallinn erläuterte, wie es dort gelang, die Städte und Gemeinden von den Vorteilen einer Bereitstellung ihrer Daten auf der estnischen Open-Data-Plattform zu überzeugen. Die Pflege der „Open-Data-Community“ steht in Estland im Vordergrund. Slowenien hat bereits sehr frühzeitig alle relevanten EU-Regelungen in sein Vorgehen eingebunden; in den Behörden gibt es dort konkrete Ansprechpersonen für Open Data, die auch untereinander vernetzt sind. In den Niederlanden kooperieren Staat und Zivilgesellschaft bei der Bereitstellung offener Daten zum gegenseitigen Nutzen. Die Europäische Umweltagentur demonstrierte eindrucksvoll, wie Umweltdaten anschaulich ausgewertet und dargestellt werden können, sodass auch Städte und Gemeinden die Erkenntnisse für eigene Planungen nutzen können. Auf einem Portal der Europäischen Union werden die Metadaten der nationalen Portale zusammengeführt. Spätestens daran zeigt sich, wie wichtig es ist, die Möglichkeit des Datenaustauschs zwischen den Portalen aller Ebenen in technischer Hinsicht sicherzustellen. Dies ist auch eine Voraussetzung für den Erfolg von Open Data im föderal strukturierten Deutschland. Insgesamt zeigte sich, dass es nicht genügt, einfach nur offene Daten ins Netz zu stellen. Es bedarf einer Vernetzung der Akteurinnen und Akteure und nicht zuletzt einer anschaulichen Aufbereitung, um die Nutzung von Open Data zu fördern.

Gegenüber einer kreisfreien Stadt hat die Landesbeauftragte eine förmliche Beanstandung wegen mangelnder Kooperation ausgesprochen. Gegenstand eines Antrags auf Informationszugang aus dem Jahr 2021 waren Unterlagen einer städtischen Verkehrs- und Unfallkommission (Abschnitt III, Seite 21). In seiner Ablehnung berief sich die Behörde auf einen ganzen Strauß von Ausnahmetatbeständen, begründete deren Vorliegen jedoch nicht näher. Wir traten mit konkreten informationszugangsrechtlichen Hinweisen zu den einzelnen Ablehnungsgründen an die Stadtverwaltung heran und baten um eine Stellungnahme sowie um ihre Berücksichtigung im anstehenden Widerspruchsverfahren. Pandemiebedingte personelle Engpässe erschwerten eine Beantwortung. Die Sache zog sich hin. Mehrfach erinnerten wir an unser Anliegen, erhielten aber lediglich die Zusicherung, nach Verfahrensabschluss eine Nachricht zu erhalten. Auch unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der Bewältigung der Pandemie hielten wir das Ausbleiben einer inhaltlichen Rückäußerung über einen Zeitraum von über zwei Jahren für unverhältnismäßig und beanstandeten dies gegenüber der Stadtverwaltung im Dezember 2023. Nach Ablauf des Berichtszeitraums informierte uns die Stadtverwaltung über den erlassenen Widerspruchsbescheid. Im Hinblick auf die Beratungsprotokolle der Verkehrs- und Unfallkommission beruft sie sich nunmehr im Wesentlichen auf den Ausnahmetatbestand zum Schutz des Willensbildungsprozesses. Eine Überprüfung dieser Begründung durch die Landesbeauftragte steht noch aus.

Ein Landkreis weigerte sich, Verträge zur Unterbringung von Flüchtlingen offenzulegen (Abschnitt IV 5, Seite 37). Er berief sich auf den Umstand, dass die Verträge in nicht öffentlichen Kreistagssitzungen beraten wurden. Eine Offenbarung des Mietzinses könne zudem die Verhandlungsposition des Landkreises in künftigen Fällen schwächen. Auch hier gingen wir auf die Ablehnungsbegründung mit konkreten Hinweisen ein. Insbesondere baten wir um eine Darlegung, ob und in welcher Weise die erforderliche Abwägung zwischen dem öffentlichen Geheimhaltungsinteresse und dem Einsichtsinteresse des Antragstellers vorgenommen wurde. In seiner Stellungnahme erläuterte uns der Landkreis, dass die Absicht des Antragstellers, die Verträge zu überprüfen, gar nicht greife, weil er sich auf Medienberichte über ein ganz anderes Flüchtlingsheim gestützt habe. Eine nur teilweise Offenlegung hielt die Behörde – durchaus im Einklang mit einem einschlägigen Gerichtsurteil – nicht für möglich. Entsprechend formulierte sie den Widerspruchsbescheid. Die Argumente des Landkreises in Bezug auf das seines Erachtens nicht überwiegende Einsichtsinteresse des Antragstellers vermochten wir mangels Hintergrundkenntnissen zu dem Fall nicht zu bewerten. Allerdings sahen wir durchaus noch einen weiteren Ablehnungsgrund, nämlich potenzielle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartner. Der Antragsteller selbst hatte sich entschieden, die Angelegenheit nicht mit einer Klage weiterzuverfolgen, da durch ein zum damaligen Zeitpunkt laufendes Strafermittlungsverfahren möglicherweise noch ein weiterer Ablehnungsgrund hinzugekommen wäre. Im Ergebnis schätzten wir die Erfolgsaussichten einer weiteren Vermittlung gegenüber dem Landkreis als eher gering ein und traten nicht erneut an ihn heran.

Manchmal werden Fälle an uns herangetragen, bei denen wir uns fragen, weshalb sich Verwaltungen so schwertun. So bat uns ein Bürger, der ehrenamtlich als sachkundiger Einwohner in einer Stadtverordnetenversammlung tätig war, um Unterstützung. Er interessierte sich für verschiedene Informationen in Bezug auf die Freiwillige Feuerwehr. Erst antwortete ihm die Stadtverwaltung nicht und auch wir mussten die angeforderte Stellungnahme anmahnen. Dann beantwortete sie zwar Fragen zu einer Gefahren- und Risikoanalyse, ging auf den Wunsch des Antragstellers, Dokumente zum Umgang mit einem Rettungsfahrzeug zu erhalten, jedoch gar nicht ein. Die Herausgabe der Bekleidungsordnung der Freiwilligen Feuerwehr (Abschnitt IV 2, Seite 31) lehnte sie vollständig ab; dies sei für die Erfüllung der Aufgabe des sachkundigen Einwohners nicht erforderlich. Darauf kam es jedoch nicht an; das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz gilt für alle, das Ehrenamt eines Antragstellers ist rechtlich gesehen unerheblich. Außerdem darf ein Antrag nur unter Benennung der gesetzlichen Ausnahmetatbestände sowie mit einer entsprechenden Begründung abgelehnt werden – auch daran fehlte es hier. Die Behörde erweiterte aufgrund unserer Hinweise ihre Auskunft und teilte mit, dass es zu dem Rettungsfahrzeug keine Unterlagen gäbe. Außerdem läge die Bekleidungsordnung nur digital in einer nicht vom Bürgermeister unterschriebenen Version aus dem Jahr 2001 vor und sei daher nicht in Kraft getreten. Wir gingen davon aus, dass diese Information dem Antragsteller genügen würde. Er legte jedoch plausibel dar, dass die Verwaltungsvorschrift sehr wohl in der Praxis angewandt wird. Wir traten also erneut an die Stadtverwaltung heran und konnten sie überzeugen, die Bekleidungsordnung herauszugeben. Offen blieb, welche Gründe sie bewogen hatte, die Herausgabe über ein halbes Jahr zu verzögern.

Was macht eine Verwaltung mit einem Antrag auf Akteneinsicht, wenn die beantragte Unterlage gar nicht existiert? Die Antwort erscheint einfach: Sie lehnt den Antrag genau aus diesem Grund ab. So leicht wollte es sich eine Universität aber nicht machen. Vielmehr suchte sie Ausnahmegründe für eine nicht existierende Akte (Abschnitt IV 8, Seite 45). Sie fand diese im Anwendungsbereich des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes. Der Antrag bezog sich auf eine vermeintliche Unterlage, aus der hervorgehen sollte, wie die Universität datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche für Prüflinge umsetzt. Die Hochschule argumentierte, solche Informationen seien der gesetzlichen Ausnahme von Tätigkeiten im „Bereich von Prüfung“ zuzuordnen und könnten deshalb nicht herausgegeben werden. Um diese Begründung zu überprüfen, baten wir um Überlassung einer Kopie. Die Universität teilte uns daraufhin mit, dass eine solche Unterlage gar nicht existiert und deshalb weder der Landesbeauftragten noch dem Antragsteller zur Verfügung gestellt werden kann. An ihrer ursprünglichen Ablehnungsbegründung hielt sie jedoch fest. Aus unserer Sicht hatte sich die Angelegenheit damit im Ergebnis erledigt. Wir wiesen die Universität darauf hin, dass eine Akte, die nicht existiert, auch nicht unter einen Ausnahmetatbestand des Gesetzes fallen kann. Der einzig zutreffende Ablehnungsgrund ist, dass es die Akte nicht gibt. Dies hätte im Ablehnungsbescheid so auch stehen müssen.

Für das Kapitel „Zahlen und Fakten“ des Tätigkeitsberichts werten wir die Beschwerdefälle statistisch aus (Abschnitt IV, Seite 63). Im Jahr 2023 haben wir knapp über 100 neue Verfahren eröffnet. Die Gesamtheit der Fälle betrachten wir beispielsweise danach, welche rechtlichen Bestimmungen in der Praxis Probleme verursachen. An erster Stelle standen dabei die Einhaltung der Bescheidungsfrist und die Begründung der Ablehnung von Anträgen auf Informationszugang. Einschränkungen des Anwendungsbereichs des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes – beispielsweise der Ausschluss der Akteneinsicht während laufender Verfahren – gehören ebenfalls dazu. Antragstellende Personen und Behörden streiten erstaunlich oft über die Existenz von Unterlagen. Meist liegt das daran, dass die Anträge ohne vorherige Konsultation der Verwaltungen formuliert werden. Hier könnte eine frühzeitige Beratung durch die aktenführenden Stellen weiterhelfen. Die Überschneidungen von Anspruchsgrundlagen – nicht zuletzt mit dem sehr weitreichenden Umweltinformationsrecht – beschäftigen uns weiterhin in hohem Maße. In den beiden zurückliegenden Berichtsjahren betrug die Erfolgsquote der Beschwerdeverfahren 50 %. Somit „lohnte“ es sich für die Antragstellerinnen und Antragsteller in der Hälfte der Fälle, die Landesbeauftragte anzurufen, weil die Akteneinsicht schließlich ganz oder teilweise gewährt oder auf die Erhebung von Kosten verzichtet wurde. Bei den fachlichen Schwerpunkten der Beschwerden fiel erneut auf, dass Angelegenheiten der internen Verwaltung auf großes Interesse stoßen. Gefragt waren auch die Aufgabenbereiche aus den Ressorts Infrastruktur, Bildung und Inneres.