Gesichtserkennung in Sachsen ist ein tiefer Eingriff in die Grundrechte

Die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte appelliert an die Sicherheitsbehörden im Freistaat, beim Einsatz von Gesichtserkennungssystemen die Verhältnismäßigkeit und Rechtsstaatlichkeit zu wahren.
Anlässlich des im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Asyl- und Sicherheitspakets der Bundesregierung weist Dr. Juliane Hundert auf die aktuelle Situation in Sachsen hin:

»Die Polizeidirektion Görlitz setzt für strafprozessuale Ermittlungsverfahren stationäre und mobile Kameras ein. Mit dieser Technik lassen sich Bildaufzeichnungen in hoher Auflösung anfertigen. Ein automatisierter biometrischer Abgleich von aufgezeichneten Gesichtsbildern mit zuvor hinterlegten Referenzbildern findet nach meinen Erkenntnissen bisher in ausgewählten Fällen und ausschließlich auf richterlicher Anordnung statt. Gleichwohl halte ich diese Maßnahmen für höchst bedenklich. Werden beim Passieren von Videokameras von unbeteiligten und nicht verfahrensrelevanten Personen biometrische Muster ihrer Gesichter erstellt, erreicht die Maßnahme eine Eingriffstiefe, die nicht ansatzweise von den aktuell geltenden Ermittlungsbefugnissen in der Strafprozessordnung gedeckt ist. Für einen solchen massenhaften biometrischen Abgleich im Strafverfahren bedarf es einer bestimmten, normenklaren gesetzlichen Grundlage.
Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu präventiven Maßnahmen der automatisierten Kennzeichenerfassung dürfte kein Zweifel bestehen, dass die biometrische Verarbeitung und ein Abgleich der Gesichtsbilder sämtlicher Personen, die eine Überwachungskamera im öffentlichen Raum passieren, mangels hinreichender Rechtsgrundlage gegen die Verfassung verstößt. Zu beachten sind überdies die europarechtlichen Anforderungen der neuen KI-Verordnung, die von den bestehenden Regelungen nicht annähernd erfüllt werden.«

Die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte verfügt über keine Interventionsmöglichkeit bei polizeilichen Maßnahmen, die richterlich angeordnet wurden. Gerichte unterliegen nicht ihrer Aufsicht. Insofern sind auch keine datenschutzaufsichtsbehördlichen Anordnungen gegen polizeiliche Datenverarbeitungen möglich, die die Polizei aufgrund richterlicher Beschlüsse durchführt. Gleichwohl appelliert Dr. Juliane Hundert an Polizei und Staatsanwaltschaften in Sachsen, solche Maßnahmen nicht zu beantragen, sowie an die Gerichte, solche Maßnahmen nicht anzuordnen: »Dem Sächsischen Innenministerium und dem Sächsischen Justizministerium habe ich meine Auffassung zur Kenntnis gegeben.«

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat sich des Themas ebenfalls angenommen und in ihrer Entschließung vom 20. September 2024 auf die hohen rechtlichen Hürden für die Nutzung automatisierter Gesichtserkennungssysteme hingewiesen.
Auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz- und die Informationsfreiheit (BfDI) hat sich zum aktuellen Gesetzgebungsvorhaben des Bundes kritisch zu Wort gemeldet.

Weiterführende Links:
Entschließung der DSK: Vorsicht bei dem Einsatz von Gesichtserkennungssystemen durch Sicherheitsbehörden
Stellungnahme der BfDI zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung

Sachsens Datenschutzbeauftragte veröffentlicht neue Auflage von »Achtung Kamera!«

Weiterhin Anstieg bei Beschwerden zur Videoüberwachung
Bei der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten sind in der ersten Jahreshälfte mehr Beschwerden zu Videoüberwachungen eingegangen. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum stieg die Zahl auf 115 – ein Plus von 20 Prozent.
Der Anstieg ist bislang ausschließlich auf Fälle zurückzuführen, in denen Privatpersonen oder Unternehmen Kameras einsetzen. Meist reichen Betroffene aus der Nachbarschaft eine Beschwerde ein. Eingaben zur Videoüberwachung durch öffentliche Stellen, wie Kommunen oder die Polizei, gibt es weiterhin nur wenige.
Dr. Juliane Hundert: »Der Zuwachs an Beschwerden macht deutlich, dass sich immer mehr Menschen durch privatmotivierte Videoüberwachung in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen. Inwieweit die Beschwerden berechtigt sind, lässt sich jedoch erst nach Abschluss der Verfahren sagen. Es deutet derzeit aber vieles darauf hin, dass in der Mehrzahl Datenschutzverstöße vorliegen. Erfahrungsgemäß überwiegen die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen fast immer das berechtigte Interesse der Kamerabetreibenden.«

Mehr Bußgelder
Wer mit seiner Kamera gegen das Datenschutzrecht verstößt, dem drohen Schadensersatzklagen der betroffenen Personen und ein Bußgeld. Letzteres verhängte die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte bereits in der ersten Jahreshälfte so oft wie im gesamten Jahr zuvor:
Bis Ende Juni 2024 betrafen fünf Bußgelder Videokameras in Fahrzeugen (Dashcams) sowie in zwei Fällen stationäre Kameras in Mehrfamilienhäusern. Die Bußgeldhöhe bewegte sich jeweils zwischen 100 Euro und 900 Euro. In einem weiteren Fall sprach die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte ein Bußgeld von 30.000 Euro aus. Von der – auch eine Audioaufzeichnung umfassenden – Videoüberwachung eines Gewerbebetriebs waren nicht nur Kunden auf einem Parkplatz, sondern auch Fahrzeugführer und Passanten, insbesondere Kinder, betroffen. Die Kameras erfassten neben öffentlichen Straßen und Gehwegen zudem Nachbarn auf ihren Privatgrundstücken und Beschäftigte einer angrenzenden Baustelle. Das Bußgeld ist allerdings noch nicht rechtskräftig.

Mit »Achtung Kamera!« dem Ärger aus dem Weg gehen
Unter welchen Voraussetzungen eine Videoüberwachung überhaupt zulässig ist, darüber informiert die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte in der Broschüre »Achtung Kamera!«. Der Ratgeber für Verantwortliche und Betroffene war Anfang des Jahres erschienen und umfasste in der 1. Auflage 1.000 Exemplare. Knapp sechs Monate später waren diese bereits vergriffen.
»Die gestiegenen Fallzahlen sowie die große Nachfrage nach der Broschüre sprachen klar für eine zweite Auflage. In dieser wurde die Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs von Ende Januar berücksichtigt. Durch das Urteil liegen die rechtlichen Hürden für Polizeibehörden höher, wenn sie gefährdete öffentliche Anlagen oder Einrichtungen mit Kameras überwachen möchten«, erklärt Dr. Juliane Hundert.
Weiterhin erhalten Leserinnen und Leser in »Achtung Kamera!« einen umfassenden Überblick zur Rechtslage für die häufigsten Verarbeitungssituationen, unter anderem zur Videoüberwachung von Beschäftigten, in der Nachbarschaft, in Kleingärten, auf Baustellen, in der Gastronomie, im Handel, in Freizeiteinrichtungen, in medizinischen Einrichtungen, im ÖPNV, in Autos, mit Drohnen etc. Ebenso wird die Rechtslage bei der Videoüberwachung durch sächsische Kommunen und die Polizei erläutert.

Die Broschüre können Interessierte auf der Website der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten herunterladen: www.datenschutz.sachsen.de
In gedruckter Form ist »Achtung Kamera!« über den zentralen Broschürenversand des Freistaates Sachsen erhältlich: publikationen.sachsen.de

Weiterführende Links:
Download der Broschüre »Achtung Kamera!«

SDTB kontrolliert 30.000 Websites und weist 2.300 Verantwortliche auf Datenschutzverstöße hin

Die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte (SDTB) hat im Mai dieses Jahres rund 30.000 Internetauftritte aus Sachsen auf Datenschutzverstöße untersucht. Dabei ging es auch um den Einsatz des Webanalyse-Dienstes Google Analytics. Wer mit diesem Tracking-Werkzeug auf seiner Website das Nutzerverhalten überwachen möchte, benötigt von den Besucherinnen und Besuchern der Seite zuvor eine freiwillige und eindeutige Einwilligung. In 2.300 Fällen waren Betreiberinnen und Betreiber von Webauftritten dieser Pflicht nicht in ausreichender Form nachgekommen. Darunter befanden sich sowohl Unternehmen und Vereine als auch öffentliche Stellen. In den kommenden Tagen erhalten diese nun Post von der SDTB. In dem Schreiben werden die Verantwortlichen aufgefordert, den Datenschutzverstoß zu beseitigen und alle rechtswidrig erhobenen Daten zu löschen. Sollten Website-Betreibende diesem Hinweis nicht nachkommen, droht ihnen nach einer erneuten Überprüfung ein förmliches Verwaltungsverfahren.

Sachsens Datenschutz- und Transparenzbeauftragte Dr. Juliane Hundert hat bei den Kontrollen sowohl die Interessen der Website-Betreibenden als auch die Persönlichkeitsrechte von Bürgerinnen und Bürgern im Blick: »Tracking-Dienste wie Google Analytics gewähren tiefgehende Einblicke in das Verhalten und die Privatsphäre von Websitebesuchern. Datenschutzrechtlich stehen die Interessen der Betreiberinnen und Betreiber deshalb zurück. Das bedeutet, möchten Verantwortliche Google Analytics nutzen, sind sie verpflichtet, von Nutzerinnen und Nutzern eine Einwilligung einzuholen.«

Für die Überprüfung von Onlineanwendungen steht in der Dienststelle der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten seit Kurzem ein IT-Labor zur Verfügung. »Das IT-Labor ist wie eine Werkstatt. Zu den wichtigsten Werkzeugen gehört moderne Hard- und Software, mit denen wir Websites, Apps und IT-Produkte datenschutzrechtlich analysieren können. Damit bin ich mit meiner Behörde in der Lage, auch künftig Kontrollen in größerem Umfang vornehmen zu können«, erläutert Dr. Juliane Hundert abschließend.

Die Hinweise zum Einsatz von Google Analytics und weiteren Diensten finden Interessierte auch auf der Website der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten unter:
www.datenschutz.sachsen.de/cookies-und-tracking.html

Superwahljahr in Sachsen: SDTB beantwortet häufige Fragen zum Datenschutz bei Wahlen

Am 9. Juni 2024 findet die Wahl zum Europäischen Parlament statt, parallel dazu die Kommunalwahlen. Wenige Monate danach – am 1. September 2024 – folgt die Wahl zum Sächsischen Landtag. Bereits bei der Vorbereitung, aber auch bei der Durchführung der Abstimmungen, werden Millionen an personenbezogenen Daten verarbeitet – von Wahlberechtigten, Kandidatinnen und Kandidaten sowie Wahlhelferinnen und Wahlhelfern. Für sie und für alle Interessierten hat die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte (SDTB) Wissenswertes zu diesem Thema zusammengetragen.
»Datenschutz ist eine wichtige Voraussetzung für freie und demokratische Wahlen. So werden Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel vor der rechtswidrigen Verarbeitung ihrer Daten im Zusammenhang mit Wahlwerbung geschützt. Immer wieder erhält meine Behörde Anfragen dazu. Die Betroffenen können sich beispielsweise nicht erklären, wie Parteien an ihre Adresse gelangt sind. Oftmals ist dies auf der Grundlage des Bundesmeldegesetzes geschehen. Denn für die politische Meinungsbildung dürfen Meldebehörden den Parteien in begrenztem Maße Auskünfte aus dem Melderegister erteilen. Wer das nicht möchte, kann von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch machen«, erläutert Dr. Juliane Hundert.

Wie und wo der Widerspruch zu erfolgen hat, erklärt die SDTB auf ihrer Website. Dort werden auch weitere Fragen zum Datenschutz bei Wahlen beantwortet, beispielsweise:

• Was darf der Wahlvorstand im Wahllokal über mich notieren?
• Wie lange werden Wählerverzeichnisse aufbewahrt?
• Was kann ich tun, wenn ich nicht möchte, dass meine personenbezogenen Daten dazu verarbeitet werden, mich als Wahlhelfer/in zu bestellen?
• Darf die Wohnanschrift einer Bewerberin oder eines Bewerbers für Kommunalwahlen veröffentlicht werden?

Antworten auf diese und weitere Fragen finden Bürgerinnen und Bürger auf: datenschutz.sachsen.de/wahlen.html

Private Kameras immer häufiger Fall für Sachsens Datenschutzbeauftragte

Neue Broschüre »Achtung Kamera!« erläutert, warum Videoüberwachung in der Regel verboten ist

Bei der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten, Dr. Juliane Hundert, gehen immer mehr Beschwerden zu Videoüberwachungen ein. Auf 130 Eingaben im Jahr 2021 folgten 140 in 2022 und rund 200 in 2023. Der Anstieg ist ausschließlich auf Videoüberwachungen durch nichtöffentliche Stellen zurückzuführen (186 in 2023).

Vor allem Kameras in der Nachbarschaft veranlassen mehr Bürgerinnen und Bürger zu einer Beschwerde. Hier verdoppelten sich die Eingaben seit 2021 auf nunmehr über 50 in 2023. Meist fühlen sich Betroffene von ihrem Nachbarn oder ihrer Nachbarin überwacht. Oftmals ist dies auch nur ein Aspekt eines größeren Nachbarschaftsstreits. In etlichen Fällen richteten Privatpersonen ihre Überwachungskamera zudem auf Gehwege oder Pkw-Stellflächen. Generell haben die Beschwerden, die die Videoüberwachung öffentlicher Verkehrsflächen betreffen, deutlich zugenommen: von knapp 60 in 2021 auf über 90 in 2023.

Dr. Juliane Hundert zieht Bilanz: »Nur bei jeder dritten Videoüberwachung, die ich aufgrund einer Beschwerde prüfe, ist datenschutzrechtlich nichts zu beanstanden. Besonders bei Privatpersonen erfolgt der Kameraeinsatz überwiegend rechtswidrig. Sie nutzen die im Handel angebotenen Produkte oftmals zu sorglos und in unzulässiger Weise. Zu oft gerät außer Acht, dass Videoüberwachung grundsätzlich einen enormen Eingriff in die Privatsphäre darstellt. Deshalb ist Videoüberwachung nicht permanent und flächendeckend, sondern nur unter bestimmten Voraussetzungen oder überhaupt nicht zulässig.«

Unzulässige Videoüberwachung kann teuer werden
Verstöße gegen das Datenschutzrecht können für Kamerabetreibende weitreichende Folgen haben, z. B. Schadensersatzklagen der betroffenen Personen und/oder ein Bußgeld durch die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt sieben Bußgelder wegen eines rechtswidrigen Einsatzes von Dashcams festgesetzt. Die Bußgeldhöhe bewegte sich jeweils zwischen 100 Euro und 1.000 Euro. Ein weiteres Bußgeld betraf den Betrieb einer stationären Videokamera im Innenhof eines Mehrfamilienhauses. Kamerabetreiber war hier ein Mieter, der die Videokamera an einem Fenster seiner Wohnung im Obergeschoss montiert und betrieben hatte. Da sich der – polizeibekannte – Betroffene wenig kooperativ gezeigt hatte, konnten die entsprechenden Beweismittel (Videoaufzeichnungen) nur auf der Grundlage eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses gesichert werden.

Empfehlung von Sachsens Datenschutzbeauftragter
Angesichts der Konsequenzen, die ein rechtswidriger Kameraeinsatz nach sich ziehen kann, rät Dr. Juliane Hundert: »Lassen Sie die Finger von Überwachungskameras. Meine neue Broschüre ›Achtung Kamera!‹ zeigt Ihnen die hohen Hürden für einen rechtmäßigen Einsatz auf. Auch für von Videoüberwachung betroffene Personen und Behörden sind die Hinweise hilfreich, hier finden Sie einen Überblick zur Rechtslage.«
In »Achtung Kamera!« erläutert die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte die rechtlichen Anforderungen und Grenzen der Videoüberwachung – sowohl für nichtöffentliche Stellen, wie Privatpersonen und Unternehmen, als auch für öffentliche Stellen, insbesondere für Kommunen und die sächsische Polizei. Auf über 110 Seiten werden zudem manche Missverständnisse und sich hartnäckig haltende Annahmen richtiggestellt. So existiert beispielsweise noch immer die Vorstellung, dass erst bei der Anfertigung von Videoaufzeichnungen personenbezogene Daten verarbeitet werden. Des Weiteren gehen etliche Verantwortliche davon aus, allein das Anbringen eines Hinweisaufklebers – oftmals nur in Form eines Kamerapiktogramms – würde ausreichen, um eine Videoüberwachung zu legalisieren.

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